Wann liegt eine Insolvenzverschleppung vor?

Eine Insolvenzverschleppung liegt immer dann vor, wenn der Insolvenzantrag verspätet, unrichtig oder unvollständig gestellt worden ist. Wer zur Antragstellung verpflichtet ist und welche strafrechtlichen Konsequenzen aus einer Verschleppung resultieren, regelt § 15 InsO. Darüber hinaus zieht die verspätete Stellung eines Insolvenzantrags auch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche nach sich. Die jeweiligen Normvorschriften, wie z.B. § 64 Satz 1 GmbHG, finden sich in den gesellschaftsrechtlichen Spezialgesetzen.

Wann und von wem muss der Insolvenzantrag gestellt werden?

Wird eine GmbH oder eine andere juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, sind die Mitglieder des Vertretungsorgans nach § 15 Abs. 1 InsO verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen. Dies hat ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) bzw. der Überschuldung (§ 19 InsO) zu erfolgen. Ist eine Gesellschaft führungslos, treffen diese Pflichten im Falle der GmbH die Gesellschafter und bei Aktiengesellschaften und Genossenschaften die Mitglieder des Aufsichtsrates, sofern diese sowohl von der Führungslosigkeit der Gesellschaft als auch dem Insolvenzgrund Kenntnis haben.

Welche zivil- und strafrechtlichen Konsequenzen resultieren aus einer Insolvenzverschleppung?

Zivilrechtliche Konsequenzen

Die Geschäftsführer einer GmbH sind der Gesellschaft zum Ersatz aller Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden (§ 64 Satz 1 GmbHG). Hiervon ausgenommen sind nach § 64 Satz 2 GmbHG Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind. Für die geschäftsführenden Organe andere Gesellschaftstypen gelten vergleichbare Regelungen.

Die Prüfung, wann der Insolvenzfall tatsächlich eingetreten ist und welche Zahlungen danach noch geleistet worden sind, gehört zum Standardrepertoire eines jeden Insolvenzverwalters, der § 64 GmbHG gerne eng auslegt, um den Ersatz des vermeintlichen Schadens von den Mitglieder der Geschäftsführung einfordern zu können. Die Rechtsprechung zu diesem Thema ist zwar deutlich differenzierter, mittlerweile aber auch sehr unübersichtlich. Es gibt jedoch eine Reihe von Zahlungen, die nach herrschender Auffassung auch im Insolvenzfall stets zulässig sind.

Der Geschäftsführer darf zumindest solche Zahlungen leisten, die den Zusammenbruch des Betriebs verhindern. Dazu zählen insbesondere existentiell notwendige Leistungen, die andernfalls gesperrt werden, wie etwa Wasser, Gas, Strom und Telefon. Gleiches gilt auch für dringend benötigte Produktionsmittel, z. B. Rohstoffe, wenn der Lieferant auf Vorkasse besteht. Des Weiteren dürfen auch Lohn- und Umsatzsteuer sowie der Arbeitnehmeranteil an der Sozialversicherung abgeführt werden, da sich ein Geschäftsführer andernfalls strafbar machen könnte. Löhne und Gehälter dürfen dagegen in aller Regel nicht mehr ausbezahlt werden. Das gilt auch für das eigene Geschäftsführergehalt. Haftungsrisiken bergen aber nicht nur Mittelabflüsse, auch Einnahmen können gefährlich werden. So muss ein Geschäftsführer nach ständiger Rechtsprechung dafür Sorge tragen, dass Schuldner der Gesellschaft keine Zahlungen mehr auf Bankkonten leisten, die im Soll geführt werden, das dies regelmäßig als unzulässige Verkürzung der Insolvenzmasse zugunsten der kontoführenden Bank gewertet wird.

Das Thema ist nicht nur hoch komplex, sondern auch existenzgefährdend, da Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft mit ihrem gesamten Vermögen haften. Dies gilt unabhängig von der Höhe ihres bisherigen Verdienstes oder der Dauer der Zugehörigkeit zum Unternehmen. Bereits ein einziger unzulässiger Zahlungslauf kann daher die gesamte bis dahin vereinnahmte Vergütung nicht nur aufzehren, sondern sogar um ein Vielfaches übersteigen. Jeder Geschäftsführer sollte sich deshalb bereits bei den ersten Anzeichen einer Krise qualifiziert beraten lassen und dazu auch externe Sachverständige zuziehen. Die zivilrechtlichen Haftungsrisiken können darüber hinaus durch eine D&O-Versicherung abgefedert werden.

Strafrechtliche Konsequenzen

Die strafrechtlichen Konsequenzen einer Insolvenzverschleppung regelt § 15 Absatz 4 und 5 InsO. Personen, die zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichtet sind, dies aber vorsätzlich unterlassen, werden mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Selbst bei einfacher Fahrlässigkeit kann noch eine Gefängnisstrafe von bis zu einem Jahr verhängt werden. Der verursachte Schaden und die Dauer der Insolvenzverschleppung sind dabei maßgeblich für das Strafmaß. Juristisch unbedarfte Geschäftsführer übersehen zudem oftmals, dass neben der Insolvenzverschleppung noch weit schwerer wiegende Straftatbestände wie Betrug (§ 263 StGB) oder Kreditbetrug (§ 265b StGB), Untreue (§ 266 StGB), Beitragsvorenthaltung (§ 266a StGB) oder strafbarer Bankrott nach § 283 StGB verwirklicht werden können.

Sofern eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung erfolgt, können die betroffenen anschließend nicht mehr als Geschäftsführer fungieren. Das gilt regelmäßig auch aufgrund einer Verurteilung wegen anderer Wirtschaftsstraftaten wie den oben aufgeführten. Darüber hinaus setzen Zivilgerichte Schadensersatzprozesse gerne aus, bis das Strafverfahren abgeschlossen ist, um sich bei der Beurteilung der Frage, ob ein Geschäftsführer pflichtwidrig gehandelt hat, der Auffassung der Strafkammer anzuschließen.

Müssen auch Beschäftigte ohne Organstellung Haftungsrisiken fürchten

Personen ohne Organstellung treffen im Insolvenzfall in aller Regel keine besonderen Pflichten, insbesondere müssen sie weder einen Insolvenzantrag stellen noch selbständig prüfen, ob eine von der Geschäftsführung genehmigte Zahlung tatsächlich freigegeben werden darf. Das gilt auch für Prokuristen oder Betriebsleiter. Personen in herausgehobener Position laufen aber Gefahr, gegebenenfalls als „faktischer Geschäftsführer“ eingestuft zu werden. Das kann nach ständiger Rechtsprechung dann der Fall sein, wenn sie mit umfassenden Befugnissen ausgestattet sind und ihre Position derart machtbewusst ausüben, dass sie faktisch die Geschäfte des Unternehmens führen. Faktische Geschäftsführer treffen die gleichen Haftungsrisiken wie ordentlich bestellte Geschäftsführer. Die Führungskräfte der zweiten Ebene sind deshalb gut beraten, sich in der Krise zurückzuhalten und die Aufgaben freigestellter oder erkrankter Geschäftsführer nicht ohne vorherige juristische Beratung zu übernehmen oder im Zweifel lieber auszuschlagen.

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